Warum auch Rechtsrheinische Pfälzer sind
von Friedhelm Schwegler, Eppelheim
Baden-Württemberg - die meisten Leute denken, das seien zwei homogene Teile, die sich ergänzen; entweder ist man in Baden oder in Württemberg.
Das ist genauso unsinnig, wie die Annahme, im alten k.u.k. Österreich-Ungarn hätte es nur Österreicher oder Ungarn gegeben, und keinesfalls
Tschechen, Slowaken, Polen, Slowenier, Kroaten u.a. .
So ist es eben auch in diesem künstlich geschaffenen Bundesland Baden-Württemberg, dessen Name obendrein noch aus zwei feudalen
Herrschaftsgeschlechtern abgeleitet ist. Neben Schwaben, Alemannen, Franken, Hohenlohern gibt es eben auch (Kur-)Pfälzer.
Genauso unsinnig ist der Begriff Nordbaden: Steht er bis zur Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre für einen Regierungsbezirk, ist er dann als offzielle
Bezeichnung verschwunden. Der heutige Regierungsbezirk im Nordwesten Baden-Württembergs heißt Karlsruhe und hat völlig andere Grenzen.
Unsinnig sind die Begriffe deshalb, weil sie administrativ keine Bedeutung mehr haben, aber nun oft als Landschaftsbezeichnungen gebraucht werden.
Doch auch als Landschaftsbezeichnungen lassen sich die Begriffe Baden und Nordbaden in Frage stellen, da sie aus einem künstlich politisch geschaffenen
Gebilde abgeleitet werden. Vergleichsweise würden wir auch nie von einer „sowjetischen” Landschaft sprechen. Fragwürdig ist es auch von einer
badisch – hessischen Grenze zu sprechen, die es verwaltungsmäßig nur von 1803 bis 1945 gab.
Hier muss man nun exakterweise von einer baden-württembergisch – hessischen sprechen. Übrigens wäre an besagten Stellen
(das betrifft ja vor allem den Odenwald) auch die Bezeichnung kurpfälzisch –hessische Grenze falsch, da die Kurpfalz weiter in den Odenwald
hineinreichte als heute Baden-Württemberg (z.B. Wald-Michelbach,Lindenfels).
In Deutschland wurden durch die napoleonische Besetzung und die anschließende Neuaufteilung der Herrschaftsgebiete, vor allem auch im
Rahmen des Wiener Kongresses, die Grenzen vielerorts völlig neu gezogen und dabei jahrhundertealte Zusammengehörigkeiten zerstört und Gebiete
anderen zugeschlagen, mit denen es vorher keine oder wenig wirtschaftliche,politische und kulturelle Gemeinsamkeiten gab (als Merkmal z. B. der
Dialekt).
Der Dialekt als Erkennungsmerkmal
Wenn wir heute Mundart sprechende Menschen hören, können wir in den meisten Fällen gut zuordnen, woher sie kommen, z. B. Sachsen, (Alt-)Bayern,
Westfalen. Ebenso betrachten wir Fränkisch mit all seinen Nuancen als etwas Eigenständiges.
Einen einigermaßen gemeinsamen badischen Dialekt gibt es jedoch nicht und das liegt in der sehr kurzen Entstehungsgeschichte begründet.
Die Markgrafschaft Baden konnte durch geschickte Politik ihr Territorium zwischen 1802 und 1804 versiebenfachen, u.a. wurden der größte Teil der
rechtstheinischen Kurpfalz, die Kraichgauer Ritterkantone, kirchliche Gebiete wie Speyer und Konstanz, Vorderösterreich, der überwiegende Teil des
Fürstentums Fürstenberg und das zwischenzeitlich auf rechter Rheinseite im Odenwald neuenstandene Leiningen einverleibt.
Allerdings verpfichtete man sich, einer endgültigen Regelung nicht im Wege zu stehen, wovon man allerdings später nichts mehr wissen wollte.
So gibt es, nimmt man Baden als Staat, der zwischen 1803 und 1945 existierte, sehr viele teilweise starke sprachliche Unterschiede. In durch viele
hundert Jahre geprägte sog. Verkehrsgemeinschaften entwickelten sich verschiedene Sprachen.
In Baden waren das im Norden das Pfälzische, ferner eine südrheinfränkische Art, die bis Karlsruhe hin (mit jeweils sich in
Nuancen unterscheidenden Satzmelodien) geläufg ist, und südlich davon das Alemannische mit all seinen Facetten.
Nach meinen Erfahrungen erkennen Dialektkundige die Mundart des Rhein-Neckar-Raums als Pfälzisch, unabhängig davon, ob die Sprechenden von
rechts oder links des Rheins kommen. Natürlich gibt es unzählige Nuancen, selbst innerhalb von Nachbarorten.
Baden war ursprünglich ein eher unbedeutender Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches, ganz im Gegensatz zum Kurfürstentum Pfalz. Nachdem
Frankreich die gesamten linksrheinischen Gebiete des Deutschen Reiches besetzt und annektiert hatte und im Frieden von Lunéville 1801 dies auch
völkerrechtlich durchsetzen konnte, verlor die Pfalz den größeren Teil ihres Territoriums.
Eingeleitet wurde die Entwicklung schon 1778, nachdem Kurfürst Carl- Theodor das bayrische Erbe angetreten und die Residenz von Mannheimnach München verlegt hatte und nach seinem Tod 1799 fortgeführt durch Max Josef, ursprünglich Graf von Pfalz-Zweibrücken, der das gesamte
Wittelsbachische Erbe übernommen hatte.
Dadurch entstand in der Restkurpfalz ein Machtvakuum, das das Haus Baden geschickt nutzte, um sich das Kernland der Kurpfalz durch militärischen
Nachdruck 1803 einzuverleiben. Man könnte einerseits sagen, dass Baden durch geschickte Verhandlungen seinen Machtbereich vergrößern konnte,
andererseits aber auch, dass im richtigen Moment das Fähnlein in die richtige Richtung gedreht wurde und dieser Opportunismus sich letztendlich bezahlt
machte.
Wie verstand man diese Begriffe „Baden“, „Pfalz“, „Kurpfalz“ damals und
wie verstehen wir sie heute?
Pfalz – das war mehr als nur das Churfürstentum Pfalz.
Schon in früheren Jahrhunderten, als es das Kurfürstentum Pfalz noch gab, unterschieden Geografen und Geschichtsschreiber zwischen dem politischen
und dem landschaftlichen Begriff „Pfalz”, allerdings auch nicht immer streng abgegrenzt.
Dabei bezog sich der Name „Pfalz” ursprünglich auf die Gegend um die Hauptstadt Heidelberg, also rechtsrheinisches Gebiet. Stellvertretend möchte
ich den Kosmographen und Humanisten Sebastian Münster erwähnen, geboren in Ingelheim, also im Kurfürstentum Pfalz, mit seinem Hauptwerk
„Cosmographia”.
Interessant, dass Münster auch die Gebiete um Bruchsal, also Hochstift Speyer, und die im Landshuter Erbfolgekrieg an Württemberg verlorenen
Gebiete um Löwenstein zur Pfalz zählt.
Der Historiker Hansjörg Probst schreibt:
„So ergibt sich für uns die für uns heutige Leser erstaunliche Tatsache, daß anfänglich die geographisch verstandene Pfalz am Rhein die rechtsrheinische
Rheinebene von Bruchsal bis Bensheim und das Neckartal bis Obrigheim umfaßt. Für das 16. Jahrhundert ist diese Tatsache so eindeutig daß Sebastian Münster mehrmals einfach schreiben konnte: „In der Pfaltz bey Heidelberg fndt man." (S. 365).“
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 62
Die linksrheinischen Gebiete wurden, ob zur politischen Pfalz zugehörig oder nicht, als Wasgau, Rheingau, Haardt oder Westerreich (Westrich)
bezeichnet. Erst am Ende des 16. Jahrhunderts verwendeten Kartografen (z.B.Mercator) den Namen für ein größeres Gebiet auch links des Rheins bis hin
zur Mosel. Auch Speyer und Worms wurden (u.a. von Geograf Matthias Quade um 1600) dann zur Pfalz gezählt (aber nicht zur Kurpfalz).
Hansjörg Probst schreibt:
„Die beiden Fürstbistümer Worms und Speyer waren ebenso wie viele Abteien unseres Raums von der Mitte des 14. bis in die Mitte des 16.
Jahrhundert durch Schutz- und Schirmverträge und Öffnungsrechte für den Pfalzgrafen so eng mit der Pfalz verbunden, daß sie als pfälzische Bistümer
und Abteien galten. Manche Bischöfe waren sogar pfälzische Kanzler.“
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 50
Der „Lehrer der Geschichte“ Friedrich Peter Wundt lieferte vor rund 220 Jahren viele Beschreibungen und Begriffsbestimmungen:
Er schreibt u. a. von „unserem Vaterlande, der Rheinischen Pfalz”, eine Bezeichnung, die damals wohl durchaus üblich war (gemeinsam mit der
politischen „Churpfalz”)
Carl Theodors Verdienste um die Berichtigung und Erweiterung der rheinpfälzischen Landesgeschichte"
von Friedrich Peter Wundt, reformirter Prediger zu Wieblingen, Lehrer der Geschichte auf der Staatswirthschafts-Hohenschule zu Heidelberg und der
physikalisch-ökonomischen Gesellschaft ordentlichem Mitgliede.
Mannheim, bei Schwan und Götz, 1794.
Jubelrede, bei der Feier zur fünfzigjährigen Regierung unseres gnädigen Churfürsten und Herrn, vorgelesen den 30. Dezember 1792 in der
öffentlichen Versammlung der Churpfälzischen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft.
In seiner Landesbeschreibung hebt Wundt aber besonders die „bekannte und von alters her berühmte Bergstraße” hervor. Im Folgenden beschreibt er (im
Gegensatz zum nördlichen kurmainzischen Teil) die Pfälzische Bergstraße, in seiner Defnition von Heidelberg bis Laudenbach.
Ferner taucht übrigens auch nicht der Begriff „Pfälzerwald” auf:
(Kaisers-)Lautern und Lautererecken liegen im vogesischen Gebirge(!)
Beschreibung der pfälzischen Bergstraße von Friedrich Peter Wundt, reformirtem Prediger zu Wieblingen, Lehrer der Geschichte auf der Staatswirthschafts-Hohenschule zu Heidelberg und derphysikalisch-ökonomischen Gesellschaft ordentlichem Mitgliede.
Vorgelesen den 4. April 1792 in der öffentlichen Versammlung der Churpfälzischen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Heidelberg.
Es zeigt sich, dass eine Unterscheidung zwischen administrativen und landschaftlichen Bezeichnungen zu treffen ist, auch wenn Überschneidungen
durchaus möglich sind.
Egal wie weitläufg der Landschaftsbegriff „Pfalz” von Landeskindern, Geografen und anderen Gelehrten gefasst wurde, das rechtsrheinische Gebiet
war immer ein wesentlicher und meist der wichtigere Bestandteil in den Beschreibungen.
Selbst nach der Annexion 1802/03 wurde die Gegend um Mannheim und Heidelberg als „Pfalz” (nicht Kurpfalz) bezeichnet, unabhängig von der
politischen Zugehörigkeit. In der politischen Verwaltungsgliederung im neuen Groß-Baden wurde der Bezirk zunächst als Badische Pfalzgrafschaft bezeichnet, darin enthalten wie selbstverständlich die rechtsrheinischen Speyrischen Gebiete (Um die Gebiete homogener zu gestalten, wurde das
eine oder andere Dorf in ein anderes Amt umgegliedert.). Des Weiteren wird auch von der „alten Rheinpfalz” und auch von der „diesseitigen Rheinpfalz”
geschrieben, was wiederum darauf schließen lässt, dass die Pfalz als Ganzes begriffen wurde. Mannheim blieb Hauptstadt dieser Badischen
Pfalzgrafschaft, war sogar als Großbadische Hauptstadt vorgesehen, falls Baden auch noch die rechtsrheinischen Wormser Gebiete bekommen hätte.
Betrachtet man nun die „Pfalz” als Landschaftsbegriff, so ist nicht zu erschließen, warum dieser für das Rechtsrheinische in Vergessenheit geraten
ist, und nur noch „Kurpfalz”, also der ursprüngliche politische Begriff überlebt hat. (Im Gegensatz dazu steht das „Markgräferland”, das vor 1803
ursprünglich eine badische Exklave war und auch heute noch als Landschaftsbegriff in festen geografschen Grenzen verstanden wird.
Die Badische Pfalzgrafschaft nach 1803
Auch folgende Quelle belegt den Begriff „Pfalz“ im Allgemeinen für das Gebiet um Mannheim und Heidelberg:
Bei Peter Wundt steht:
„Die evangelisch lutherischen Kirchen in dem Lande stehen unter dem Kirchenrath in Karlsruhe, dem zu Ende zwei geistliche correspondirende
Räthe aus der Pfalz, nämlich Mannheim und Heidelberg beigefügt worden”sind ...“
Die badische Pfalzgrafschaft geografsch, statistisch, topografsch bearbeitet von Peter Wundt, Professor und Inspektor zu Wieblingen, Seite 7
Karlsruhe, im Verlag der Ch. F. Müller'schen Buchhandlung und Hofdruckerey. 1804.
Doch nachdem Baden nach 1803 zunächst föderale Strukturen aufbaute, wurde der neugeschaffene Staat nun – nach einer weiteren Erwerbung des
größten Teils der Grafschaft Leiningen – streng zentralistisch aufgebaut und alles, was namentlich an Pfalz erinnerte systematisch getilgt. Das Gebiet
erhielt nun den Namen „Niederrhein“.
Es wurde ebenso wie auf der nun bayrischen linken Rheinseite, nicht nur der politische Begriff „Kurpfalz” systematisch getilgt, sondern auch „Pfalz” als
Landschaftsbegriff.
Was nun politisch erzwungen war, wurde aber von der fachlichen Welt nicht unbedingt geteilt.
Hansjörg Probst schreibt:
„Ritters Geographisch-Statistisches Lexikon, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zehn Aufagen erlebte, defniert 1883 die Pfalz wie folgt:
1) Name der Gegend zu beiden Seiten des Rheins, des Kernes der ehemaligen Kurpfalz oder Pfalzgrafschaft am Rhein, deren Mittelpunkt etwa Mannheim bildet ... Sie gehört theils Bayern, theils Baden (Kreis Mannheim und Heidelberg), theils Hessen.
2) Regierungsbezirk in Bayern, jenseits des Rheins, umfaßt den Landestheil, der früher Rheinkreis genennt wurde ...”
Das heißt also, daß es auch im 19. Jahrhundert einen engeren und einen weiteren Pfalzbegriff gab.”
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 80
Versuche zur Herstellung der territorialen Integrität der Pfalz
Durch die Wiedergewinnung der linksrheinischen Gebiete nach dem Sturz
Napoleons wurden diese neu aufgeteilt.
Im Vertrag von Ried von 1816 verzichtete Bayern zwar auf Tirol, Vorarlberg, Salzburg und das Innviertel, um Habsburg als Verbündeten für die Rückgabe
der verlorenen Pfalz zu gewinnen, gab sich dann aber letztlich mit an Altbayern grenzenden Gebieten und dem neugeschaffenen linksrheinischen
„Rheinbayern” zufrieden.
Ich zitiere Hansjörg Probst:
„Bayern schließlich bekam den bei weitem größten übrigen Teil als Rheinbayern zugewiesen. 1817 erhielt Rheinbayern den Namen Bayerischer Rheinkreis oder es wurde als Bayern links des Rheins bezeichnet. Mit den pfälzischen Staaten waren offziell auch die alten Namen Rheinpfalz, rheinische Pfalz, Pfalz am Rhein, Kurpfalz, untergegangen. In allen Nachfolgestaaten wurde nun ängstlich vermieden, den Namen Pfalz
überhaupt zu gebrauchen, der nurmehr für die untergegangene Kurpfalz vorbehalten bleiben sollte.
Eine der ersten Landesbeschreibungen Rheinbayerns von Philipp August Pauli aus dem Jahre 1817 kommt fast völlig ohne den Gebrauch der Wörter Pfalz,
Pfälzer oder pfälzisch aus. Die Einwohner des neu gewonnenen Landes sind für ihn ausschließlich Rheinbaiern.”
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 78/79
Aber Bayern gab sich hernach nicht mit der Aufgabe der ehemals Wittelsbacher Gebiete zufrieden und forderte im Rahmen des
Gebietsausgleichs mit Habsburg die rechtsrheinischen zurück. Baden hatte sich bei der Annexion wohl bereit erklärt, einer endgültigen Regelung zur
Herstellung der Ordnung nicht im Wege zu stehen, wehrte sich aber, als es auf die Tagesordung kam, vehement gegen die Wiederherausgabe der
Restkurpfalz an die nun in München regierenden pfälzischen Wittelsbacher.
Quelle: Sahrmann, Adam: Pfalz oder Salzburg. Geschichte des territorialen Ausgleichs zwischen Bayern und Österreich von 1813 bis 1819, München 1921
Hierzu gilt zu bemerken, dass die Versuche des inzwischen zum bayrischen König Maximilian I. aufgestiegenen Erben aller Wittelsbacher Territorien, die
rechtstrheinischen Pfälzer Gebiete zurückzugewinnen, eher als zaghaft zu bezeichnen sind , nicht zuletzt wohl auch aus außenpolitischen Gründen, da
er seit 1797 in zweiter Ehe mit der badischen Prinzessin Karoline Friederike Wilhelmine verheiratet war.
Hansjörg Probst schreibt darüber:
„Auch in Baden war die Erinnerung an die pfälzische Vergangenheit systematisch und konsequent nach der Aufhebung der badischen
Pfalzgrafschaft getilgt worden. Uralte und ureigenste pfälzische Institutionen wurden neu oder umgegründet. Bekanntestes Beispiel dafür ist die
Heidelberger Universität, die neben Ruprecht auch den badischen Karl-Friedrich in den Namen aufnahm und seitdem Ruperto-Carola heißt. In
Mannheim wurden die alten Gymnasien 1807 zum neuen großherzoglichen Lyzeum umgeformt und die frühere Schulgeschichte unterdrückt. Damit
einher ging eine zielbewußte Herabsetzung der pfälzischen Vergangenheit, besonders des 18. Jahrhunderts und der letzten beiden Kurfürsten KarlPhilipp und Karl Theodor. An dieser häßlichen und ungerechten Schwarzmalerei beteiligte sich leider auch der verdienstvolle pfälzische
Geschichtsschreiber Ludwig Häusser, für den der pfälzische Kurstaat nicht durch dynastische Zufälle und die Zerstörung des alten Reiches durch
Napoleon zugrundegegangen, sondern dem gerechten Spruch der Geschichte erlegen war. Seine Abneigung gegen Karl Theodor ging so weit,
daß er nicht einmal den kulturellen Großtaten dieses Fürsten Gerechtigkeit widerfahren ließ.
Nun hatte Baden natürlich viele Gründe, das Auf- und Weiterleben pfälzischer Traditionen zu unterdrücken; denn die bayerischen Könige Max
Joseph und Ludwig I. konnten den Verlust der alten pfälzischen Kernlande nicht verschmerzen und suchten wiederholt Gelegenheit, die
rechtsrheinische Pfalz wiederzugewinnen und so von Aschaffenburg, Amorbach und Miltenberg über den Odenwald und die alte Kurpfalz hinweg
eine Landverbindung zum linksrheinischen Bayern herzustellen. Bayern hatte sich durch Verzicht auf Salzburg zugunsten Österreichs dieses
verpfichtet,seine Ziele in der alten Pfalz zu unterstützen. Ein Hebel, den badischen Staat in seinem Bestand in Frage zu stellen, war die unebenbürtige
Thronfolge der Linie Hochberg, die aus einer morganatischen Ehe Karl-Friedrichs hervorgegangen war. Nach dem söhnelosen Tod der beiden
letzten Zähringer, der Großherzöge Karl (1818) und Ludwig (1830), bestand für Baden das außenpolitische Problem, die Nachfolge der Hochberg-Linie
und die Unversehrtheit des badischen Staates im Deutschen Bund durchzusetzen.
...
Zuletzt versuchte Bayern eine Gebietsreform nach 1871, als es nach der Erwerbung von Elsaß-Lothringen durch das Deutsche Reich um die Frage
ging, auf welche Weise diese beiden Provinzen in das Reich eingegliedert werden sollten. Doch wurden nach einigem Schwanken die erworbenen
Gebiete nicht auf die angrenzenden Länder aufgeteilt, sondern als „Reichslande“ zusammen verwaltet.”
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 78/79
Es zeigt sich, dass die widernatürliche nachnapoleonische Gebietsordnung nie endgültig akzeptiert wurde. Bis in die Neuzeit gab und gibt es Versuche
einer Revision, besonders wieder nach 1945:
„Zu Veränderungen der deutschen Landkarte kam es erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Reichwar untergegangen und Preußen durch den Beschluß des Alliierten Kontrollrates in Berlin aufgelöst worden. Schon vorher, kurz nachdem die Amerikaner die gesamte Pfalz links und rechts des Rheins besetzt hatten, versuchte der ehemalige Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Heimereich, von Neustadt aus in Nordbaden und der Pfalz einen einheitlichen Verwaltungsbezirk zu schaffen. Dieser Versuch wurde im Sommer 1945 beendet, als die Franzosen das linke Rheinufer als Besatzungszone übernahmen und die Amerikaner Baden und Württemberg nördlich der Autobahnlinie Karlsruhe-Ulm zu dem Land Württemberg-Baden zusammenschlossen.
Die französische Besatzungsmacht bildete aus ihrer zweigeteilten Besatzungszone das Land Rheinland-Pfalz mit der Hauptstadt Koblenz, ab 1950 Mainz.
Wie 150 Jahre zuvor wurden auch jetzt Länder gebildet, ohne daß die Bevölkerung um ihre Meinung gefragt worden wäre.”
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 80-82
So liefen auch alle weiteren Vorschläge in der Nachkriegszeit, die Grenze des Rheins zu überwinden ins Leere. Erst die Schaffung der Metropolregion
Rhein-Neckar ist ein, wenn auch dürftiger Ansatz, die politische Einheit einer zusammengehörigen Region wiederherzustellen.
Doch wie sollen wir unser kleines Gebiet bezeichnen? Baden und Kurpfalz sind, wie bereits betont, eigentlich administrative Begriffe. Eine Landschaft
Baden gibt es schon gar nicht. Unter Pfalz verstehen die meisten heute ausschließlich das linksrheinische Gebiet, das zwischen 1816 und 1945 auch
administrativ so genannt wurde. Hansjörg Probst prägte in einem kleinen Pfalzlexikon den Begriff Neckarpfalz. Diese Bezeichnung ist durchaus
passend und könnte sich einbürgern. Dass nicht nur „Kurpfalz” als politische Bezeichnung verschwand, sondern auch der Begriff „Pfalz” als landschaftlicher Begriff für die gesamte Region eliminiert wurde, ist sehr bedauerlich. Im Vergleich dazu ist „Franken” heute nicht nur auf die heutigen bayrischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken beschränkt, sondern gilt z.B. auch für Gebiete im heutigen Baden-Württemberg, wo der Name Franken sogar als Bezeichnung für die nordöstliche Region um Heilbronn offziellen Bestand hat. Also warum nicht auch wieder das Gebiet als Pfalz bezeichnen, das es mal war und eigentlich ist: von der Mosel bis an den Unteren Neckar !
Und als was seh ich mich selbst? Nachdem ich mehr von der Lokalgeschichte meiner Ahnen mitgekriegt hatte, ärgerte es mich immer mehr, als Badener oder Nordbadener bezeichnet zu werden, nicht weil die Badener so böse wären, sondern weil ich es einfach als nicht zutreffend fand, ähnlich als wenn man mich als Hesse oder Sachse gesehen hätte. Was bleibt da übrig? Kurpfälzer? Ja, aber als überzeugter Republikaner (was die Staatsform betrifft) lassen wir das "Kur" doch einfach weg. Ja, ich bin ein Pfälzer.
„Badische Pfalz:
Bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts übliche und volkstümliche Bezeichnung der 1803 badisch gewordenen rechtsrheinischen Kurpfalz. Seit
dem Zweiten Weltkrieg durch die Neubelebung des Begriffs Kurpfalz verdrängt.
Neckarpfalz:
Bezeichnung für die pfälzischen Gebiete zwischen Heidelberg und Mosbach. Eppingen/Sinsheim im Süden und Umstadt/Otzberg und Lindenfels im
Norden.”
Die Pfalz als historischer Begriff, Hansjörg Probst, Mannheim, Südwestdeutsche Verlagsanstalt 1984, S. 83 (Pfalzlexikon)
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